Haben Sie schon mal eine Seele gespürt, wie Sie entweicht?
Ich schon..................!
Zum Gedenken an „Ritchy" gestorben am 21. April 2005
Einer meiner (Unserer) schrecklichsten Tage, die ich je erlebt hatte(n)!
Kennen Sie solche Tage, an denen Sie spüren, Irgendetwas wird heute passieren, Irgendwas stimmt heute nicht? Sie stehen morgens auf mit diesem Gedanken, wissen nicht wie Sie diesen Zustand verarbeiten sollen und doch kann man es nicht aufhalten, am 21. April 2005 war so ein Tag! Ich spürte es, Irgendetwas wird heute anders sein, wird nicht mehr so sein, wie es einmal war........................................Es sollte sich bitter Bewahrheiten:
Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht einen Teil meiner Hundemeute bei mir habe, egal welches Wetter ist, egal wohin ich fahre. Sie helfen mir, mit ihrem Dabei sein, Sorgen zu vergessen, den Alltag besser zu bewältigen, auch wenn dadurch ein Großteil meiner Zeit „verloren" geht (durch Gassi Gehen, Leute die mich ansprechen, usw.) ! Sie sind ein Teil von mir, wie meine Familie auch und ich habe Sie Alle wahnsinnig gern um mich herum, Sie sind Alle mein Leben, meine Seelen, meine guten Geister!
Auch an diesem Tag hatte ich insgesamt 7 Stück an der Zahl (alles Chihuahuas, im Alter von 8 Monaten = Emily, bis 14 Jahre = Desiree) dabei. An diesem sonnigen Frühlingstag war ich gegen 14.00 Uhr in einem Waldstück eingefahren, dass ich zwar sehr selten frequentiere, aber eigentlich doch gut kenne, und wie immer, suche ich mir stets einen kurzen Waldweg aus, der gerade aus geht und in dem ich weit vorausschauen kann, immer mit dem Hinblick auf entgegen kommende Gefahren (Fahrräder, Jogger, Fremde Große Hunde). Meine kleine Meute ist natürlich immer sehr aufgeregt, wenn Sie merken, es geht in den Wald. Sie lieben es eigentlich, die Düfte, die vielen Bäume, den weichen Boden, das unbekümmerte Voraus Rennen....
Normalerweise ist an einem Donnerstag, Frauchens „Ritchy" nicht dabei, er ist dann immer mit ihr unterwegs, beim „Haare machen", Einkaufen, etc. Warum sie ihn heute nicht mitnahm, wer weiß.... Auf jeden Fall, war Frauchen schon fort und als ich meine „Meute" für den heutigen Tag einsammelte, saß er oben auf der Treppe (sein bevorzugter Platz, denn da kann man ja Alles überschauen, ohne selbst aufzufallen), und sah mit seinen großen dunklen Augen herunter. Ich rief Ihn, weil ich dachte, Du musst nun ja nicht unbedingt allein und langweilig zu Hause hocken, (auch wenn die andere Hälfte der Meute hier blieb), aber er rührte sich nicht, wollte nicht mit! Na ja, vielleicht denkt er immer noch, Frauchen kehrt zurück und holt ihn doch noch ab, woher solle er auch wissen, dass Sie ihn heute absichtlich nicht mitgenommen hat.......... Also, Treppe hoch, sprach mit ihm, aber er wollte nicht so recht. Soll ich, oder Nicht? Nun denn, Dann habe ich den sturen Burschen doch noch mitgenommen! Zack unter den Arm und rein in`s Auto zu den Anderen, wo Ritchy dann seinen bevorzugten Stammplatz einnahm. Hätte ich ihn doch nur zu Hause gelassen, vielleicht ahnte er ja, was heute noch passieren wird...........!
Ritchy ist ein 6 -jähriger Chihuahua-Rüde, der aus meiner eigenen Zucht abstammt, ein direkter Nachkomme meines schon legendären „Joki". Ein ebenso markanter Apfelkopf mit deutlichem Stop, gerade zu perfekt gemeiselt, jedoch vom Wesen her nicht so draufgängerisch wie sein Vater, nicht so unglaublich selbstbewusst und unerschrocken tapfer wie Joki, jedoch sein engelsgleiches Wesen, er ging jedem Streit aus dem Weg (er hasste Disharmonie über Alles), waren seine herausragenden Merkmale! Er konnte sich so richtig „FALLENLASSEN" in Frauchens Armen, hatte diese uneingeschränkte Vertrauen zu ihr, dass ihm nichts passieren kann, wenn er in ihren Armen lag, dazu seine großen schwarzen Augen, die einen durchdringen konnten, man brauchte nie etwas zu sagen: Er sah sofort was man von ihm wollte, was man ihm sagen wollte, er verstand mit den Augen zu lesen..............Kennen Sie das? Man ist ein uneingeschränktes Team, man versteht sich ohne großen Worte, die bedarf es nicht! Seine Führungsposition im Rudel nahm er erst ein, als Joki und Wolfi weggestorben waren, die nahm er dann so selbstverständlich in Anspruch, ohne Rauferei, ohne großes Knurren und Gebell, er war der zu respektierende Nachfolger, und die wurde vom Rest des Rudels akzeptiert, ohne jegliche Machtkämpfe, das brauchte er nicht, einmal kurz intensiv blicken, das genügt!
Seine Liebe jedoch galt uneingeschränkt seinem Frauchen, nicht dass er andere Menschen, wie Herrchen oder die Oma nicht liebte, nein dass nicht, die durften herhalten und ihn streicheln, wenn seine Nummer Eins nicht da war, dann kommt seine Nummer Zwei (in dem Fall ich) und so weiter dran.
Nun, Ritchy war eigentlich nie ein besonderer „Waldliebhaber"! Er hatte, aus welchem Grund auch immer, Ängste im Wald spazieren zu gehen! Manchmal dachte ich, er wird halt irgendwie kurzsichtig sein, dass ihn vielleicht die Bäume oder Sträucher, die Äste oder Baumstümpfe ängstlicher machen, als dies bei meinen anderen Hunden der Fall ist! Jedenfalls hatte er im Wald zeit seines Lebens, nie irgendwelche bösen oder negativen Erfahrungen gemacht! Zurückblickend muss ich jedoch erkennen, dass er es immer gewusst hat, dass irgendwann einmal in einem Wald etwas Schreckliches passieren wird, dass er irgendwann damit konfrontiert wird, dass er irgendwann in einem Wald sein Leben verlieren wird, er schaute immer rückwärts, wenn wir im Wald waren, immer..............
Ich fuhr an besagtem Tag in ein Waldstück, nahe einer Landstraße, gut 100 Meter hinein, bis die erste linke Abzweigung kam, die nicht nur schnurgerade, sondern auch einen fast 1 Kilometer langen geraden Blick nach vorne erlaubte, so dass mögliche Gefahren rechtzeitig erkannt werden können und ich dementsprechend Vorsorge treffen kann! Die Autotür auf und schwupps waren alle meine Hunde herausgesprungen! Ich war noch keine 5 Meter gelaufen, als ich von Hinten einen Lärm im Geäst hörte, als ob ein Elefant durch das Unterholz trampelte! Als ich mich umdrehte, erkannte ich, wie ein ausgewachsener Rottweiler in vollem Galopp auf uns zuraste! Raumgreifend, die Nackenhaare gesträubt, kleine dunkle funkelnde Augen, diese stechend auf meine Hunde, seine Beute, gerichtet! Mit lautem Geschrei flüchteten 4 meiner kleinen Lieblinge gerade aus ab, Ritchy jedoch rechts, tief in das Waldinnere hinein! Lediglich Desiree und Nana blieben stehen und stellten sich! Ich selbst sprang dem Rottweiler entgegen und setzte ihm einen Faustschlag auf die Nase, wobei er zunächst einmal kehrt machte und sich trollte! Ich drehte mich um, rief und pfiff nach meinen 4 geradeaus Entflohenen und wähnte zunächst einmal wenigstens Ritchy in Sicherheit, da er ja in den Wald hinein gelaufen war und so zumindest vor dem Straßenverkehr sicher war! Bei den Anderen half das Pfeifen und Schreien tatsächlich, sie blieben Alle Stehen! Dann auf einmal machte dieser Rottweiler eine Kehrtwendung und griff erneut, diesmal von der linken Seite an! Dann ertönte ein Schreien und Rufen und wie man sich voreingenommen den typischen Rottweilerbesitzer vorstellt, so stand er dann vor mir: Bundeswehrkampfjacke. Bierbauch, Springerstiefel, schütteres dünnes, dunkles und fettiges Haar auf halbglatzenem Haupt, ca. 110 kg schwer und im Besitz eines Jeeps.................! Dann der Spruch: Der beißt nicht, der will nur spielen.....! Kennen Sie dass????
Ich zur Genüge! Nach einem kurzen Wortgefecht wandte ich mich ab und hielt Ausblick nach meinen Hunden! Von den 7 an der Zahl sah ich jetzt nur noch 4! Ritchy war im Wald das wusste ich, also erst einmal die 4 verbliebenen in das Auto und ab geht die Suche nach den restlichen 3! Emily, Ritchy und Nana! Ausgerechnet Emily dachte ich, nach dem Negativerlebnis im Dezember 2004 nun auch noch Emily! Bei Nana dachte ich, na ja kein ängstlicher Hund, weiß Gott nicht, die wird schon ganz in der Nähe sein, aber Emily? Nach ca. 50 mtr sah ich sie, gerade aus, Rute eingeklemmt, abwartende Buckelhaltung! Ich rief, sie sah mich auf sie zu bewegen - und rannte weg! Ich stoppte, rief, sie hielt an, ich ging in die Hocke, sie stoppte,
Buckelhaltung, Rute eingeklemmt, abwartend! Ich rief, richtete mich langsam auf, ging auf
sie leise einredend zu, dann plötzlich rannte sie wieder weg! Das Spiel wiederholte sich etliche Male, wenn ich stand, stand sie, wenn ich mich bewegte, rannte sie weiter und das immer mehr Richtung Landstraße. Es war zum Verzweifeln! Dann endlich die Idee - der Gedanke!
Ich hatte eine schwarze Lederjacke, eine schwarze Hose, vielleicht war es das! Jacke ausgezogen, Hemd über die Hose flattern lassen, Ruhe bewahren, leise und eindringlich reden und endlich das war`s! Wenige Meter vor der Landstraße blieb sie in der Hocke sitzen, bis ich sie überglücklich fassen konnte! Ab in`s Auto nur noch 2 Hunde zu suchen! Wo blieb nur meine Frau, die ich schon vor der Suche nach Emily angerufen hatte!!? Und dann steht dieser Typ mit seinem Rottweiler auf einmal vor mir und sagt: Vermissen sie noch einen Hund? Da vor der Landstraße steht einer, wollte ihn einfangen, aber der rannte total verängstigt davon (hat sie Typ noch Alle, dachte ich!) Wovon sollte mein Hund wohl Angst haben? Ich fasste es nicht! Ich rannte um die Ecke und tatsächlich, direkt vor der viel befahrenen Landstraße stand NANA! Ich rief nach ihr, sie drehte sich um, sah mich und rannte über Die Straße!!! Ich hörte im Geiste schon die Bremsen quietschen, Tiergeschrei und Allerlei mehr! Nana jedoch verschwand im darüber liegenden Dickicht und Wald! Ich rannte hinterher rief, stoppte schrie stoppte ,das gleiche Spiel wie noch weinige Minuten zuvor bei Emily, doch Nana rannte jedes Mal noch ein Stückchen weiter, entfernte sich jedes Mal noch weiter von mir! In der Gewissheit, dass sie erst einmal sicher war, dass ich so ungefähr wusste wo sie verschwunden war, kehrte ich zu meinem unverschlossenem Fahrzeug zurück, der Rottweilerbesitzer und sein Hund waren spurlos verschwunden und suchte und rief nach Ritchy, wartete immer noch vergebens auf meine Frau! Es kam kein Ritchy, ich fand ihn immer noch nicht! Dann endlich, nach endlosen weiteren Telefonaten tauchte endlich meine Frau aus und ich konnte ihr wenigstens die Richtung auftragen, wo Ritchy verschwunden war. Sie stellte ihr Auto an der Stelle im Wald ab, wo das Unglück ihren Anfang nahm und nahm die Suche auf! Ich selbst begab mich auf die andere, gegenüberliegende Waldseite, wo ich Nana zuletzt sah! Mit schweren müden Beinen, ausgedörrt vor Durst, ging es weiter, rufend und lockend, aber nichts war zu Sehen! Dann endlich, die ersten Waldbesucher, mit und ohne Hunde kamen mir entgegen. Auf die Frage, ob sie einen kleinen choco-braunen Hund gesehen haben: Ja, natürlich! Ganz klein und unheimlich schnell, wir hatten gar nicht gewusst, dass ein so kleiner Hund, so schnelle rennen kann, als ob er von irgendwas gejagt würde! Ja, den haben wir gesehen, der geradewegs Richtung Große Offene Baustelle, der Neuen Bundesstraße, die gerade gebaut wird! Mir war schon ganz schlecht vor Angst, als ich dies hörte! Und mich beschlich ein merkwürdiges, bisher nie gekanntes Gefühl! Ich wusste es, spürte es wie heute Morgen schon, es wird etwas fürchterliches passieren! Nana auf der einen Seite, Richtung Großbaustelle, Ritchy auf der anderen Seite, im tiefen Wald, aber diese umrandet von der vielbefahrenen Landesstraße! Dann, als ich gerade wieder ein paar Augenzeugen vor mir hatte, die meine Nana beschreiben und die Wegstrecke erklären konnten, auf der sie entlang gerannt war, klingelte mein Handy: Schluchzend hörte ich die Stimme meiner Frau: Jetzt ist es passiert, Jetzt ist es passiert! Ich rannte zurück, und da saß Sie! Schluchzend am Straßengraben, Ritchy hin und her wippend auf dem Schoß! Auf den ersten Blick war nichts zu erkennen, Ritchy lag ausgestreckt auf ihrem Schoß, entspannt, die Augen offen und der Körper ganz warm, als ich ihn anlangte! Was ist passiert fragte ich? Sie antwortete, dass Ritchy auf einmal vor Ihrem Auto gestanden ist, dass er auf einmal aus dem Wald neben dem Fahrzeug stand, als wollte er in`s Auto springen. Als Sie ihn sah und bei seinem Namen rief, rannte er plötzlich und einfach davon, Richtung Landstraße. Dann hörte Sie nur noch ein kurzes Aufschreien, einen leichten dumpfen Schlag, und dann fand Sie ihn, direkt am Straßengraben, als wäre er gar nicht auf die Straße gelaufen, sondern nur dort gestanden, als habe er vorher gebremst. Von einem fahrenden Fahrzeug war natürlich nichts zu sehen! Ich schaute mir Ritchy genau an, wollte gerade noch sagen, nein da ist nichts, er blutet nicht einmal, doch sah ich den leichten dünnen roten Rinnsaal aus seiner Nase. Ich berührte ihn noch mal, flüsterte seinen Namen, und dann........ein ganz leichtes Aufbäumen seines kleinen Körpers, ich rief noch: er ist gar nicht tot, er bewegt sich! Aber dann sah ich es: Ein kleines durchsichtiges Wölkchen verließ seinen Körper! Es stieg empor, so langsam wie ein aufsteigender Luftballon, es verließ einfach seinen Körper und hauchte nach oben.....Es war unglaublich und doch, es war jetzt die bittere Erkenntnis, Ritchy war tot! Er war von uns gegangen, er ist nicht mehr da!
P.S.
Wenn ich heute so, den ausgewachsenen männlichen Nachwuchs von Ritchy erblicke, insbesondere Diejenigen, die seine Farbschläge aufweisen (Wildfarben-blau), dann erkenne ich bei Allen, ein bisschen das Wesen unseres Verstorbenen, vor Allem den unglaublich treuen Blick, seine tiefgründigen großen dunkle Augen, seine uneingeschränkte Liebe gegenüber seinem Herrchen oder Frauchen, seine Ergebenheit und das Selbstbewusstsein etwas Besonderes zu sein und doch so unwahrscheinlich lieb, ohne Neid, ohne Streit, und das Sprechen mit seinem Besitzer, wenn er fiept, vor lauter Freude, sein Mitteilungsbedürfnis, seine Lebensfreude..........................Dann weiß ich, er lebt weiter in Ihnen, nur aufgeteilt, in Jedem seiner Kinder steckt ein Teilchen von Ihm, in manchem mehr, in manchem weniger, aber er ist immer noch da und teilt seine bedingungslose Liebe nun mit verschiedenen vielen Menschen, die ihm die viele Liebe nun entgegenbringen, die er verdient hat! Aber........... er ist halt nicht mehr da, bei seinem Frauchen, wo er eigentlich sein sollte, bei den Seinen, bei uns.......................
Michael Kraft