Schlafentzug ist tödlich
Nun, da wir uns gerade im Übergang vom Winterschlaf zur Frühjahrsmüdigkeit befinden, ist vielleicht die richtige Zeit, ein paar Worte über den Schlaf zu verlieren, der uns nach des Tages Mühen für einige Stunden Ruhe finden lässt und uns obendrein erquickt. Dichter und Philosophen haben uns ja schöne Sätze zu diesem Thema hinterlassen. Friedrich Hebbel formulierte: „Der Schlaf ist die Nabelschnur, durch die das Individuum mit dem Weltall zusammenhängt." Arthur Schopenhauer sah diesen schönen Zustand etwas mechanistisch: „Der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr." Und im Alten Testament (Psalm 127,2) finden wir den schönen Trost: „Den Seinen gibt's der Herr im Schlafe." Doch eine Naturwissenschaftlerin wollte, wie der Sachbuchautor Reto U. Schneider in seinem informativen „Buch der verrückten Experimente" (C. Berteismann Verlag, München) berichtet, der Sache ganz genau auf den Grund gehen. Und sie griff dabei zu einer sehr brutalen Methode. Man schrieb das Jahr 1894, als die Wissenschaftlerin Marie de Manaceine untersuchen wollte, wie lange es ein Lebewesen ohne Schlaf aushallen könne. Denn der Schlaf galt als entfernter Verwandter des Müßiggangs und stand daher nicht in hohem Ansehen. Zwar sündigt nicht, wer schläft, aber er erbringt in dieser Zeit auch keine nützlichen Leistungen für die Güterproduktion. Da sich Menschen zu Recht nicht ihren Schlaf rauben lassen wollten, verfiel de Manaceine auf den Gedanken, für ihr Experiment vier Hundewelpen auszuwählen. Sie hinderte die kleinen Bellos mit allen Mitteln am Einschlafen, um die Auswirkungen dieser erzwungenen Schlaflosigkeit erforschen zu können. Die waren letal: Das erste Hündchen starb nach 96 Stunden, das nächste bald darauf, das letzte nach exakt 143 Stunden. Sechs Tage bei Schlafentzug, das war die äußerste Grenze, die ein Tier durchleben konnte. Nun konnte die Forscherin konstatieren, „dass der vollständige Schlafentzug für ein Tier tödlicher ist als das komplette Fehlen von Nahrung." Denn auch wenn Bello & Co. es leugnen würden: Zur Not können sie ungefähr drei Wochen ohne feste Nahrung auskommen. Die grausamen Experimente der Forscherin stießen bei unzähligen Zeitgenossen auf größte Ablehnung, sie stellte sie daraufhin ein. Diktaturen dienende Folterknechte von Geheimdiensten und Militär haben aus diesen zweifelhaften Versuch gelernt und verwenden die Methode der erzwungenen Dauerwachheit noch heute, um Menschen auf billige Weise zu quälen. Der aus diesen Experimenten erzielte Erkenntnisgewinn hat also nicht nur diesen vier Hündchen das Leben gekostet.